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Willkommen in der Durchschnittsfalle

Sind Sie ein Kategorie B oder gar C Mensch? Sie möchten alles, nur nicht auffallen? Weiterbildung ist uninteressant? Dann kommen jetzt schlechte Nachrichten: früher oder später verlieren Sie Ihren Job, und mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie von einem Roboter ersetzt. Die Digitalisierung und der Einsatz von Robotern werden in den nächsten 10 Jahren Millionen von Jobs in Europa obsolet machen. Dumm gelaufen?

Während im Zuge der ersten industriellen Revolution vermutlich noch mehr Pferde als Menschen ihren Job verloren, so sind es bei der vierten industriellen Revolution, der Industrie 4.0, vorrangig die Menschen, die der Automatisierung zum Opfer fallen. Der chinesische Großkonzern Foxconn setzt stark auf automatische Produktion. Das Unternehmen plant, in den nächsten Jahren drei Viertel der ca. 400 000 Mitarbeiter, welche Handys zusammenbauen, durch Roboter zu ersetzen. Eine Studie der ING-DiBa aus dem Jahr 2015 sieht 59 Prozent der Arbeitsplätze in unserem Lieblingsnachbarland Deutschland gefährdet – und das bezieht nicht nur Hilfsarbeiter, sondern auch technische Fachkräfte mit ein. Rund 18 Millionen Jobs könnten in Bälde der Automation zum Opfer fallen. Vergleicht man die Lohnkosten, wird klar, warum beispielsweise manuelle Schritte in Herstellungsprozessen vermehrt von Robotern übernommen werden: durchschnittlich 40 Euro Lohnkosten pro Stunde bei einem Arbeiter stehen 3 bis 6 Euro pro Stunde für einen Roboter gegenüber – und das ganz ohne Urlaubsansprüche, Grippewelle, Betriebsrat oder Zickenkrieg. Im Finanzwesen können ausgeklügelte Algorithmen schon bald Börsen- und Bankenmitarbeiter ersetzen.

Natürlich hat jede Medaille zwei Seiten und der Fortschritt bringt viele Vorteile mit sich. DHL und andere Konzerne erproben beispielsweise Exoskelette, die Mitarbeiter bei stehenden oder hebenden Tätigkeiten entlasten und so die Gesundheit fördern. Entminungsroboter leisten wertvolle Dienste, ohne dass Menschen gefährdet werden. Neueste „Sensornasen“ funktionieren schon besser als die menschliche Nase. Sie könnten in Umgebungen zum Einsatz kommen, wo mit Chemikalien oder Gasen gearbeitet wird. Auch entstehen neue Berufsgruppen und Stellen –allerdings bei Weitem nicht im gleichen Ausmaß. Ein sehr deutliches Bild zeichnet ein Vergleich von Wert und Mitarbeitern großer amerikanischer Konzerne: Chrysler, Ford und General Motors bringen es zusammen mit 1,26 Millionen Mitarbeitern auf 36 Mrd. Dollar Börsenwert. Apple, Facebook und Google hingegen erreichen ihren Gesamtwert von 1 228 Mrd. Dollar mit lediglich 185 000 Mitarbeitern. Steigende Produktivität durch Automation lässt häufig die Kassen klingeln – allerdings nicht bei den wenig oder schlecht ausgebildeten Arbeitern.

A, B oder C?
Glaubt man den Vorträgen des Unternehmers Prof. Dr. Jörg Knoblauch, lassen sich Mitarbeiter in drei Kategorien einteilen: A = Mutmacher, B = Mitmacher und C = Miesmacher. Einer aktuellen Gallup-Umfrage zufolge gehören in Deutschland 15 % des Personals zu A, 70 %zu B und 15 %zu C. In Österreich sind die Zahlen mit 14 % A, 74 % B und 12 % C ähnlich. Krasser schon der Vergleich über dem Teich: in den USA zählen 30 Prozent zu A – also das Doppelte. Diese Mitarbeiter sind top-motiviert, wollen Unternehmensziele noch übertreffen und agieren mit Herz und Verstand. Knoblauch meint, dass in Unternehmen im Idealfall 80 % A, 20 % B und keine C-Mitarbeiter beschäftigt sind, da diese dem Unternehmen mit ihrer negativen Einstellung schaden. Herausfinden ließe sich das mit einem Mitarbeiterbeurteilungsbogen bzw. schon – wie Google es praktiziert – in vielstufigen Bewerbungsverfahren mit zahlreichen Interviews.

Das klingt wunderbar logisch. Eine Kleinigkeit lässt der Buchautor und versierte Redner jedoch in seinen Vorträgen aus: Menschen lassen sich nicht einfach kategorisieren wie Fahrzeuge oder Sitzplätze im Konzerthaus. Die Motivation steht und fällt damit, wie man sie behandelt, wertschätzt und entlohnt. Wer seinen Mitarbeitern durchschnittliche Löhne bezahlt, keine Weiterbildung ermöglicht und keine Anerkennung für Leistung zugesteht, der darf sich nicht wundern, wenn er über kurz oder lang Leute um sich hat, die keinen Finger mehr krümmen als nötig. Hier liegt der wahre Unterschied zu florierenden Unternehmen: es ist ein Geben und Nehmen, keine Einbahnstraße. Und der Chef packt mit an.

Rahmenbedingungen für die Next Generation?
Nun das eigentliche Problem: in der Wirtschaft werden lauter A-Leute gebraucht, aber das österreichische Schulsystem produziert aktuell überwiegend B- oder C-Vertreter. „Hauptsache irgendwie durchkommen“ und ein gemeinsames Minimalziel (Stichwort Zentralmatura) prägen den Alltag. Das Resultat: Durchschnitt. Niemand traut sich, eine echte Bildungsreform in Angriff zu nehmen, die den Namen auch verdient hat. Und das bedeutet in meinen Augen nicht, alle Kinder – egal welche Fähigkeiten und Vorlieben sie haben – in die gleiche Schule zu stecken, die dann alle schaffen, weil der Standard niedrig genug ist. Es muss stattdessen die Qualität der einzelnen Schultypen so weit gehoben werden, dass keine“ besseren“ Privatschulen mehr nötig sind. Und wer bis dahin (denn das kann noch länger dauern) ein wirklich begabtes, intelligentes Kind hat, aber sich die gute Privatschule nicht leisten kann, der sollte eine Förderung dafür bekommen. Für alle möglichen Ausgaben finden sich Budgetposten, warum also nicht in unser aller Zukunft investieren?

Egal, wie die künftige Regierung in Österreich aussehen mag, ob rot-blau, schwarz-grün oder bunt gemischt, wenn wir nicht ganz bald einen SuperGAU im Sozialsystem erleben wollen, besteht dringender Handlungsbedarf. Ich hoffe inständig, dass die machthabenden Politiker aufwachen und bei ihren Entscheidungen nicht nur die eigene Amtsperiode samt Wiederwahl im Blick haben, sondern möglicherweise auch unpopuläre Beschlüsse fassen, um für die nächsten Generationen ein Umfeld zu schaffen, in dem man sich mit Fleiß und Arbeitswille ein schönes Leben leisten kann. Denn Fakt ist: die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Also gilt es, sofort die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, ehe es zu spät ist.   (AG)

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