Der beliebte Blick hinter fremde Kulissen

Welche Strategien fahren Händler bei Retouren, Lieferkonditionen, Zustelloptionen oder auch Cross-/Omnichannel-Services? Das sind nur einige der wenigen Fragen, die das EHI  Retail Institut in einer Studie im Herbst 2017 herausgearbeitet hat. Hilka Bergmann, Leiterin Forschungsbereich Verpackung und Versand, spricht im Interview über die erstaunlichsten Ergebnisse der Studie.

Frage: Retouren sind für alle Händler ein leidiges Thema, das sich wohl nie ganz in den Griff bekommen lässt. Könnten Sie nochmals kurz beschreiben, warum Retouren so teuer kommen?

Hilka Bergmann: Das ist ganz klar der Bearbeitungsaufwand. Denn auch nach dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie zur Weitergabe der Retourenversandkosten übernehmen fast drei Viertel der befragten Händler die Versandkosten für die Retoure. Doch nicht nur die Übernahme der Retourenversandkosten ist kostspielig. Vor allem das weitere Handling der Retourenbearbeitung ist in seinen Prozessen aufwändig und mit Kosten verbunden. Besonders kostenintensiv ist der Prozess der Sichtung, Prüfung und Qualitätskontrolle der retournierten Artikel. Der Durchschnitt der pro retourniertem Artikel anfallenden Kosten über die befragten Händler hinweg liegt bei knapp 10 Euro.

Frage: 10 Euro sind eine Menge Geld pro Ware. Lassen sich denn die Retouren größtenteils wiederverwerten?

Hilka Bergmann:  Im Durchschnitt können rund 70 Prozent der retournierten Artikel als A-Ware für den Kundenversand wiederverwendet werden. Die Hauptgründe, wenn Retouren nicht als A-Artikel wieder verkauft werden, bestehen für fast zwei Drittel der befragten Onlinehändler darin, dass die jeweiligen Artikel in der Qualität so sehr beeinträchtigt sind, dass die Aufbereitung nicht möglich oder zu aufwändig ist. Für mehr als ein Drittel der befragten Händler spielen ebenfalls Kostengründe eine entscheidende Rolle, wenn auf die aufwändige Retourenbearbeitung verzichtet wird. Fast ein Drittel bittet bei gewissen Artikeln in manchen Fällen sogar die Kunden, die Artikel trotz Retourenanmeldung und -gutschrift nicht zurückzusenden. Denn eine Rücksendung von Artikeln, die ohnehin nicht aufbereitet und wieder vermarktet werden können, würde unnötige Kosten verursachen und wäre daher wirtschaftlich nicht sinnvoll. Hierbei sind unterschiedliche Einflussfaktoren, wie etwa die Kosten und die Wirtschaftlichkeit einerseits und die Glaubwürdigkeit des Kunden andererseits, sorgfältig abzuwägen.

Frage: Und wie hoch ist denn eigentlich die Retourenquote bei den Händlern?

Hilka Bergmann: Zum Glück ist die Retourenquote  insgesamt über die befragten Händler hinweg im Durchschnitt eher moderat, allerdings mit großen Unterschieden bei den verschiedenen Sortimenten. Die Händler mit den höchsten Retourenquoten kommen nach wie vor aus dem Fashion-Bereich. Doch alle Händler wollen natürlich Retouren vermeiden und haben ihre ganz speziellen Methoden dafür.  Der Großteil (84 %) erfasst dafür gezielt die Gründe von Retouren. Mehr als die Hälfte (57 %) leitet aus diesen konkrete Optimierungen ab. Entscheidende Maßnahmen zur Retourenvermeidung sind für 80 Prozent der Befragten detaillierte Produktinformationen im Onlineshop, um dem Kunden möglichst sichere Entscheidungshilfen an die Hand zu geben.

Frage: Hohe Retourenkosten, teilweise nicht wiederverwertbare Waren – ist das Thema Versand also für Händler ein reiner Kostenfaktor?

Hilka Bergmann:  Da die Händler die von ihnen erbrachte Leistung – in diesem Fall die Lieferung – auch finanzieren müssen, bieten nur wenige eine generell versandkostenfreie Lieferung an. Fast die Hälfte der befragten Onlinehändler – und damit etwas mehr als in den vergangenen Jahren – stellt unabhängig vom Bestellwert einen gleichbleibend festen Betrag in Rechnung. Ebenfalls fast die Hälfte der Befragten bietet den Onlinekunden eine versandkostenfreie Lieferung an, sofern ein bestimmter Mindestbestellwert erreicht ist. Dieser ist je nach Wertigkeit des Produktsortiments sehr unterschiedlich.

Frage: Da stellt sich doch die Frage, ob man das Thema Fulfillment nicht besser auslagern sollte?

Hilka Bergmann: Nun ja, der Großteil der befragten Onlinehändlern führt die logistischen Warehousing-Prozesse bevorzugt selber durch. Die Gründe dafür sind auch durchaus nachvollziehbar, nämlich Kundennähe, Kontrolle über die Prozesse, Qualitätssicherung und Kosten. Diejenigen Befragten, die bestimmte Prozesse an einen Fulfillment-Dienstleister abgeben, sind aber wiederum größtenteils mit den Leistungen und der Zusammenarbeit überaus zufrieden.

Frage: Nach welchen Kriterien werden die Dienstleister dabei ausgewählt?

Hilka Bergmann: Entscheidende Kriterien bei der Wahl des Fulfillment-Dienstleisters sind die Schnelligkeit, Zuverlässigkeit, Kosten und der Qualitätsanspruch. Rund ein Drittel aller Händler, die das Fulfillment auslagern, sehen allerdings Optimierungsbedarf bei ihren Dienstleistern, vor allem mit Blick auf Kosten und bezüglich der flexiblen und schnellen Umsetzung von IT-Projekten.

Frage: Die Schnelligkeit eines Dienstleisters hat also für Händler oberste Priorität?

Hilka Bergmann:  Prio eins hat eher eine grundsätzliche Liefertreue, dann folgen die Sicherheit, dass die Produkte beim Kunden unbeschadet ankommen, und die Möglichkeit der Sendungsverfolgung (Tracking der Bestellung). Schnelle Lieferzeiten, eine Benachrichtigung an den Kunden, wann die Ware ankommt, und akzeptable Kosten sind dann die weiteren Kriterien, die Händlern wichtig sind.

Frage: Und wie sieht es mit der Geschwindigkeit dann aus?

Hilka Bergmann: Die Liefergeschwindigkeiten befinden sich bereits auf hohem Niveau. Über die Hälfte der befragten Händler kann bereits innerhalb von 24 Stunden oder schneller liefern. Für zukünftig planen die Händler noch schnellere Lieferzeiten. 40 Prozent möchten innerhalb der nächsten drei Jahre die Lieferung noch am Tag der Bestellung (Same Day Delivery) anbieten. Aktuell ist dies bei sieben Prozent der Händler möglich. Für ein Drittel der befragten Befragten helfen schnelle Lieferzeiten, Retouren zu vermeiden. Der Kunde soll dringend benötigte Artikel nicht zwischenzeitlich anderweitig beschaffen. Als wesentliche Voraussetzung für eine hohe Liefergeschwindigkeit sehen mehr als zwei Drittel der Befragten ein effizientes Warenwirtschaftssystem, das mit dem des Onlineshops eng verknüpft ist.

Frage: Die gelungene Verknüpfung der einzelnen Verkaufskanäle wird derzeit viel diskutiert. Wie sind hier die Ergebnisse aus Ihrer Studie?

Hilka Bergmann: Für die Umsetzung von Cross-/Omnichannel-Services sind intelligent verknüpfte IT-Systeme entscheidend. Die Rückgabe online bestellter Artikel im Store (In-store Return) sowie die Onlinebestellung und -bezahlung bei stationärer Abholung (Click and Collect) sind dabei bereits bei rund 60 Prozent der befragten Multi-/Cross-/Omnichannel-Händler im Angebot. Einen Optimierungsbedarf in der Verknüpfung der unterschiedlichen Kanäle sieht rund ein Viertel der Befragten. Für die Warenbereitstellung bei Click and Collect senden 41 Prozent der Multi-/Cross-/Omnichannel-Händler die bestellten Artikel vom Verteilzentrum an das stationäre Geschäft. 35 Prozent entnehmen die bestellten Artikel aus dem Filialbestand.

Für manche Händler richtet sich das jeweilige Vorgehen nach der jeweiligen Verfügbarkeit der Artikel. Von den befragten Multi-/Cross-/Omnichannel-Händlern führen zwei Drittel die Kommissionierung der Onlineartikel im selben Verteilzentrum durch wie die Artikel, die sie über den stationären Kanal vertreiben. Gründe sind vor allem Synergieeffekte, Flexibilität, Effizienz und Kostenvorteile. Bestände werden nicht separat geführt, sondern es wird ein gesamter Bestand für die Versorgung aller Vertriebskanäle genutzt. Ein knappes Drittel der befragten Multi-/Cross-/Omnichannel-Händler verwendet für die Kommissionierung der Artikel für Online und Stationär ein separates Verteilzentrum. Ein gutes Viertel führt die Kommissionierung und Auslieferung aus den stationären Geschäften durch. Fast die Hälfte (46 %) der befragten Multi-/Cross-/Omnichannel-Händler hat eine Kombination verschiedener Varianten im Einsatz.

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 3/2018

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