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Gastartikel: Nachhaltige Beschaffung & Herausforderungen & Chancen

Der zweite Teil dieser Artikelreihe befasst sich mit der Entwicklung einer wirksamen Nachhaltigkeitsstrategie. 

Viele Unternehmen stehen beim Thema nachhaltige Beschaffung und Lieferketten noch am Anfang der Reise und sehen sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen und Fragen konfrontiert. Andere wiederum sehen noch nicht die Notwendigkeit dieser Thematik für ihr Geschäftsbestehen oder keinerlei Relevanz für ihre Geschäftstätigkeit. Der erste Teil dieser Artikelreihe befasste sich daher mit den Herausforderungen und Treibern für Nachhaltigkeit/CSR. Im zweiten Teil wird der Fokus auf der Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie gesetzt: Welche Faktoren sollten beachtet werden, wie können Unternehmen diesen Herausforderungen begegnen und eine Strategie formalisieren. Der dritte und letzte Teil befasst sich mit der Implementierung der Nachhaltigkeitsstrategie mit Fokus auf Prozesse, Mitarbeiter und Tools zur erfolgreichen Implementierung.

Analysieren, Ziele setzen, Strategie entwickeln.
Wie im ersten Teil der Artikelreihe gezeigt, ist es fundamental, die Beschaffungsprioritäten nicht mehr isoliert zu betrachten, sondern Nachhaltigkeit als Schnittstelle der drei wichtigsten Bewertungsfaktoren des Beschaffungswesens zu sehen. Und so einen allgemeinen Rückgang des Unternehmensrisikos, eine Kostenreduktion sowie Ertragssteigerungen durch die Kombination von nachhaltigen Produktinnovationen und Nachhaltigkeit zu erzielen. Richtig implementiert, sollte das Thema Nachhaltigkeit als KPI in alle Prozesse eines strategischen Einkaufsmodells integriert werden. Zur Entwicklung einer effektiven nachhaltigen Beschaffungsstrategie muss zunächst einmal die Ausgangssituation identifiziert und analysiert werden. Es gibt unterschiedliche CSR-Reifegrade, und als erster Schritt ist es fundamental, individuell zu definieren, was Nachhaltigkeit und nachhaltige Beschaffung für jeden Bereich der Organisation bedeuten und welche Reifegrade in diesen Bereichen vorhanden sind.

Reifegrade EcoVadis
© EcoVadis 2018

Wichtig ist es, diese Phasen als CSR-Reise anzusehen und nicht als statische Definitionen. Bereiche, die sich in der reaktiven Phase befinden, haben bereits anfängliche Maßnahmen implementiert, die aber im allgemeinen auf kundenseitigen oder stakeholderseitigen Anforderungen basieren. “Responsiv” beschreibt die Phase, in der begonnen wird zusätzliche Verfahren zu implementieren und mit anderen strategischen Partnern zusammenzuarbeiten. In der „proaktiven“ Phase wird mit der systematischen Umsetzung von Richtlinien und Verfahren begonnen und der Umfang des Projekts wird eventuell auf andere Regionen, Geschäftsbereiche usw. ausgeweitet. „Innovativ“ bezieht sich auf Unternehmen, für die das Konzept der Nachhaltigkeit vollständig in die Strategie und die operative Tätigkeit der Beschaffung integriert ist. Diese Unternehmen nutzen Nachhaltigkeit, um Innovationen zu entwickeln, die zu einer entscheidenden Differenzierung ihrer Produkte und Dienstleistungen führen.

Diese Entwicklungsstufen hängen natürlich fundamental mit der internen Organisationsstruktur zusammen. Diese CSR-Reifegrade sind nicht als Skalierung von “negativ” zu “positiv” zu betrachten, sondern jedes Unternehmen, das extern oder intern getrieben, erste Maßnahmen und Schritte zur Verbesserung der eigenen CSR-Leistung ergreift, begibt sich auf die Reise zu sozialer, ökologischer und ethischer Verantwortung und geht damit einen immensen Schritt über reine Compliance oder Gesetzeskonformität hinaus Richtung Nachhaltigkeit und damit Richtung Zukunftsfähigkeit.

Wie in Teil 1 dieser Serie ausgeführt, bildet die Transport- und Logistikbranche eine Schnittstelle, deren Bedeutung in der globalen Produktion und Distribution weiterhin zunehmend ist. Prozesse und Optimierungen in diesen Bereichen, wie etwa die Optimierung von Transportwegen, Vermeidung von Leerfahrten oder klimaneutrale Transport- und Speditionsarten, sind nicht nur nachhaltiger, sondern rentieren sich auch letztendlich finanziell und bieten zusätzliche Wettbewerbsvorteile, da immer mehr Unternehmen nachhaltige Beschaffung und damit auch nachhaltige Transportmöglichkeiten in den Fokus nehmen und die Leistungen im CSR-Bereich bewerten lassen. Damit wird CSR ein Entscheidungskriterium für neue Partnerschaften und Verträge.

Nachhaltigkeit als Zukunftsfaktor.
Wie auch in vielen anderen Branchen, besteht auch in der Logistik- und Speditionsbranche Nachwuchs- und Fachkräftemangel. Insbesondere die Logistikbranche steht aktuell negativ in den Medien, nachdem eine Investigate-Europe-Recherche massive Missstände, insbesondere bei den Arbeitsbedingungen osteuropäischer Lkw-Fahrer im Fernverkehr, ans Licht gebracht hat. Die Problematik die hier auftritt zeigt, dass hier CSR-Handlungsbedarf besteht, denn anstatt dem Personalmangel mit höheren Löhnen und sozialverträglichen Arbeitszeiten entgegengewirkt wird, nutzen große Transportunternehmen und ihre Kunden die billigere Lösung mit Fahrern aus dem Ausland und bewirken damit, dass auch in Westeuropa Arbeitsbedingen und Löhne nicht nur nicht verbessert werden, sondern gegebenenfalls sogar verschlechtert werden, um im als KMU im Wettbewerb bestehen zu können. Für Deutschland zeigen die Ergebnisse des EcoVadis CSR Risk & Performance Index 2018 für KMU (26-999 Mitarbeiter) in der Transportbranche im Zeitraum 2015-2017 eine stetige Verbesserung im Gesamtdurchschnitt der CSR-Leistungsbewertung.

Transport EcoVadis
© EcoVadis 2018

Auch in den einzelnen Themen Umwelt, Arbeits- & Menschenrechte, Nachhaltige Beschaffung und Ethik verbessert sich der Durchschnitt seit 2015 bei deutschen KMU der Branche konstant.

Gehen Sie über den traditionellen Silo-Ansatz hinaus.
Die Index Ergebnisse zeigen, dass CSR nicht zurückgestellt wird, sondern im Fokus bleibt und Maßnahmen ergriffen werden, um die CSR-Leistung zu verbessern. Dadurch bieten sich für Unternehmen in der Transport- & Logistikbranche neue Potenziale, um dem Personalmangel weiter entgegenzuwirken und gleichzeitig neue Konzepte und Ansätze für Optimierungen von Transportwegen oder Fuhrparks aber auch von Logistikimmobilien und Energieeffizienz zu entwickeln. Gleichzeitig sollte man Reputation und Image nicht vergessen, denn immer mehr Endverbraucher fokussieren nachhaltigen Konsum. Diese Nachhaltigkeitsmaßnahmen bedeuten natürlich Investitionskosten, alle genannten Elemente bedeuten jedoch auch eine Senkung der Betriebskosten.

Umso wichtiger ist die Entwicklung der individuellen Strategie und deren Abstimmung mit der allgemeinen Geschäftsstrategie. Unabhängig von Branche und Unternehmensgröße ist eine Grundlage zur Entwicklung einer effektiven Strategie für Nachhaltigkeit, einen kollaborativen Ansatz zu schaffen und Fachkompetenzen aus verschiedenen Unternehmensbereichen und Kernfunktionen zusammenzubringen. Somit können Sie nicht nur CSR-Kriterien in den Einkauf oder in Geschäftsbeziehungen einbeziehen, sondern auch bspw. mitarbeiterbezogene Maßnahmen entwickeln und fördern. Gleichzeitig können so auch kleinere Unternehmen Ressourcen für ihre CSR-Reise bündeln, neue Ansätze entwickeln und umsetzen ohne direkt ein komplettes CSR-Team aufzustellen zu müssen.

Grundlagen EcoVadis
© EcoVadis

Ziele setzen und kommunizieren.
Bei der Zielsetzung für Nachhaltigkeit ist es erneut wichtig, die übergeordnete Geschäftsstrategie einzubeziehen. Gibt es Ziele oder auch Verpflichtungen, die übergeordnet sind? Gibt es spezifische KPIs, die aufzeigen, was nötig ist, um die Ziele oder Verpflichtungen zu erreichen? Was muss gemessen werden, um dies zu erreichen? Durch die Festlegung von Zielen und Zugeständnissen verstehen auch die Stakeholder den Mehrwert der Maßnahmen und was sie dazu beitragen oder auch welchen Mehrwert sie dadurch haben. Wichtig sind hier realistische KPIs, die erreichbar sind und somit auch das Team motivieren. Kein Unternehmen kann alle CSR-Anforderungen mit allen Stakeholdern in einem Schritt umsetzen oder erfüllen, daher ist hier die Priorisierung und Zielsetzung einzelner CSR-Etappen überaus wichtig.

Der nächste Schritt betrifft die Formalisierung und Kommunikation der Strategie und Maßnahmen. Hier ist es immer sinnvoll, Mitarbeiter vorab schon einzubinden und zu informieren. Gute Kommunikation ist ein weiterer Schlüsselfaktor zum Erfolg, nur wenn Mitarbeiter etwas verstehen, werden sie es auch mittragen oder gar als Promotoren weitertragen. Eine formalisierte und klare Kommunikation bietet Transparenz für alle Stakeholder und hilft Ziele zu erreichen auf allen Seiten: beim Management, bei Mitarbeitern um sie für sich zu gewinnen, bei externen Stakeholdern und auch bei Suche nach innovativen Partnern.

Lesen Sie im nächsten Teil mehr zur Implementierung der Nachhaltigkeitsstrategie mit Fokus auf Prozesse, Mitarbeiter und Tools zur erfolgreichen Implementierung.


Tanja Reilly © EcoVadisÜber die Autorin Tanja Reilly, EcoVadis: Tanja Reilly ist Expertin für nachhaltige Beschaffung und verantwortet bei EcoVadis seit 3 Jahren die D-A-CH Region. Bevor sie zu EcoVadis kam, arbeitete sie langjährig im Compliance-Umfeld und betreute zuvor als Beraterin internationale SAP-Implementierungsprojekte. Tanja Reilly hält regelmäßig Vorträge und Workshops zu nachhaltiger Beschaffung und der Business Value-Steigerung durch verbesserte Nachhaltigkeitsperformance.

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