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Internetriese Amazon greift nach den Business-Kunden

Im Wareneinkauf von Unternehmen haben Katalog, Bestellformular und Telefon auch in der heutigen, digitalen Welt noch nicht restlos ausgedient. Immer mehr Unternehmen beklagen sich darüber, dadurch jährlich Millionenbeträge zu verschwenden. Mit seinem speziell an Firmenkunden adressierten Angebot versucht der Internetriese Amazon, seine Vormachtstellung im E-Commerce weiter auszubauen.

Redaktion: Karin Walter

Der E-Commerce-Markt wächst weiter ungebremst. In Deutschland hat der Internethandel mit Konsumgütern im vergangenen Jahr bereits die 30 Milliarden Euro-Umsatzmarke durchbrochen. Einigen etablierten Internet-Pure-Playern und Omnichannel-Anbietern gelang es, den Marktanteil abermals zu steigern. Und noch immer drängen viele neue Händler und Geschäftsideen ins Netz, um ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen.

Im Vergleich zum Business-to-Consumer Markt steht das Online-Geschäft mit Firmenkunden derzeit noch weit weniger im öffentlichen Interesse. Als Nebeneffekt von Digitalisierung und E-Commerce-Boom kann man jedoch davon ausgehen, dass sich in den kommenden Jahren vor allem für dieses Handelssegment noch ein enormes Wachstumspotenzial auftun wird. Die Marktforscher des Internetportals ibusiness prognostizieren bereits für das Jahr 2020 einen Warenumsatz im B2B E-Commerce von 53 Milliarden Euro. Das sind rund 18 Mrd. Euro mehr als noch im vergangenen Jahr. Und immerhin gut 20 Mrd. Euro mehr als im klassischen B2C-E-Commerce-Geschäft in Deutschland aktuell erwirtschaftet wird.

Deutschland hinkt der globalen Entwicklung des B2B-E-Commerce-Marktes damit allerdings noch ein Stück weit hinterher. Glaubt man den Einschätzungen des Marktforschungsinstituts Frost & Sullivan wird das digitale Geschäft mit Geschäftskunden global gesehen schon im Jahr 2020 die doppelte Größe des Online-Marktes mit Privatkunden erreichen. Dies ist vor allem deshalb so bemerkenswert, als dass auf die digitalen Beschaffungsprozesse von Unternehmen im Netz bislang kaum fünf Prozent entfallen.

Amazon Business: hochdynamisches Wachstum

Kein Geringerer als der Internetriese Amazon treibt die Wachstumsdynamik im B2B-E-Commerce hartnäckig weiter voran. In den USA betreibt das Unternehmen bereits seit April 2015 einen – in den Webauftritt integrierten – Online-Marktplatz für Firmenkunden. In Europa und Asien setzt der Online-Gigant den Ausbau seines Service-Angebots sukzessive fort. Die deutsche Geschäftskundenplattform Amazon Business ist Ende 2016 an den Start gegangen. Neben Großbritannien und Frankreich können mittlerweile auch die Geschäftskunden in Italien, Spanien, Indien und Japan von den Vorteilen der Online-Beschaffung profitieren. „Das Wachstum im B2B E-Commerce ist hoch dynamisch“, sagt Florian Böhme, Chef von Amazon Business Deutschland, ohne seine Aussage jedoch mit konkreten Zahlen zur bisherigen Umsatzentwicklung zu untermauern.

Das große Geschäft mit Waren des täglichen Gebrauchs

Obwohl auf der Businessplattform aktuell weit mehr als mehr als 250 Millionen Artikel gelistet sind, versteht sich Amazon mit seinem Business-Ableger längst nicht als Generalanbieter. Das Warenangebot fokussiert sich in erster Linie auf die Gebrauchsartikel des täglichen Geschäftsbedarfs. Das heißt: Neben Computern, Computerzubehör, Briefumschlägen, Schreibwaren und Büromaterialien können auf der Plattform auch Artikel wie Kaffee und Kekse, Werbegeschenke, Hygieneartikel oder Transportgeräte geordert werden.

„Die meiste Zeit wird in den Unternehmen mit der Verwaltung von Lieferanten verbracht, die nur einen kleinen Teil der tatsächlichen Ausgaben ausmachen“, begründet der Amazon-Manager Böhme die derzeit klare strategische Ausrichtung auf das Geschäft mit den so genannten „indirekten Artikeln“. „Wir wissen, dass die Beschaffung jener Artikel einen hohen Prozesskostenanteil in Anspruch nimmt und sehen es als unsere Aufgabe, die Prozesse unserer Kunden zu verschlanken.“

Dafür bietet Amazon bereits eine Reihe auf die Bedürfnisse seiner bislang rund 150 000 Geschäftskunden zugeschnittenen Funktionen: darunter den Kauf auf Rechnung, die Anzeige und Rechnungsstellung in Netto-Preisen, die Möglichkeit der Gewährung von Mengenrabatten sowie die Einrichtung von Firmenkonten mit mehreren Nutzern. Unternehmen, die Amazon Business nutzen, können darüber hinaus auch einschränkende Einkaufsrichtlinien und interne Genehmigungsprozesse für ihre Einkäufer festlegen, beispielsweise, um die Beschaffung bestimmter Computer- oder Notebook-Marken klar zu regeln. Zusätzlich bietet Amazon auf seiner Businessplattform auch den kostenlosen Premiumversand – eine Service-Funktion, die die Kunden seit einigen Jahren bereits von der Privatkundenplattform amazon.de kennen.

Bei der Zusammenstellung seiner Services konzentriert sich Amazon nicht auf spezielle Käufersegmente. Das Kundenspektrum des Business-Kunden-Ablegers von Amazon umfasst Unternehmen jeder Größe und Art. Adressiert werden alle institutionellen Einkäufer vom Einzelunternehmer oder kleinen Firmen bis zu internationalen Großunternehmen, DAX-30-Konzernen und öffentlichen Einrichtungen wie Universitäten, Krankenhäuser und gemeinnützige Organisationen.

Rückwärts gedachter Prozess

Der Deutschland-Chef von Amazon Business beschreibt die Grundidee der Einkaufsplattform als einen „von den Bedürfnissen der Kunden rückwärts gedachten Prozess“, bei dem Faktoren wie Zeitersparnis, Kostentransparenz und Prozesseffizienz im Mittelpunkt stehen. Wichtig, so Böhme, sei es, den Kunden nicht nur die Produkt- und Versandkosten transparent zu machen.  Die größten Effizienzgewinne beim C-Teile-Einkauf im Netz seien durch ein verschlanktes Lieferantenmanagement und Einsparungen bei den Prozesskosten zu erzielen.  „Unser Ziel ist es, den Kunden einen Einkaufsprozess an die Hand zu geben und diesen sichtbar zu machen“, betont der Amazon-Manager und E-Commerce-Experte. Daraus resultiert aus seiner Sicht der größte Kundennutzen.

Längerfristige Aufbauarbeit nötig

Obwohl Amazon seine Businesskunden-Services sukzessive um neue Funktionen ergänzt, sind die Verantwortlichen des Amazon-Geschäftsbereiches auf einen längerfristigen Prozess eingestellt, um die teilweise sehr speziellen Herausforderungen des B2B-E-Commerce bis ins letzte Detail zu knacken. Probleme treten heutzutage meist immer dann auf, wenn die Zustellung an einen speziellen Arbeitsplatz gewünscht ist, oder die Verarbeitung eines bestellten Zulieferteils an einem bestimmten Lieferort erfolgen soll, gibt sich der Amazon-Manager Böhme durchaus selbstkritisch. Darüber hinaus würde noch nach einem probaten Mittel für das Logistik-Handling gesucht, für den Fall, dass Kunden einzelne Artikel im wirklich großen Stil ordern.

„Aktuell ist der ‚Tail Spend‘, und damit die Fokussierung auf das Geschäft mit Gebrauchsartikeln, für uns das wichtigste Thema“, kommentiert Florian Böhme den strategischen Fokus, den Amazon mit seinem Business-Angebot verfolgt. „Wir nehmen das Feedback unserer Kunden auf und versuchen, laufend neue Service-Funktionen darauf aufzubauen.“

Besonders in der Bewältigung der logistischen Herausforderungen rund um das Thema B2B-E-Commerce, bei der Warenzustellung auf der letzten Meile sowie in der Weiterentwicklung von Predictive Ordering mittels Big Data und künstlicher Intelligenz sieht der E-Commerce-Experte noch einige wichtige Themen, für die von Konzernseite laufend weitere zukunftsgerichtete Antworten gefunden werden müssten.  (WAL)

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 4/2018

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