Roadmap für die Logistik 4.0

Wie Unternehmen ihre Lieferketten digitalisieren sollten

Die Digitalisierung verändert die Welt der Logistik bereits gravierend, vor allem hinsichtlich der Schnelligkeit, Kontrollierbarkeit und Flexibilität ihrer Prozesse. Bei drei Megatrends sollten sich Unternehmen mit angepassten Vorgehensweisen und Instrumenten auf die Veränderungen einstellen.

Der Trucker-Spruch „Solange man keine Äpfel per E-Mail verschicken kann, müssen wir uns die Straße teilen!“ brachte bis vor wenigen Jahre noch die Haltung vieler Logistik-Profis gegenüber neuen, internetbasierten Technologien auf den Punkt. Doch diese „Weisheit“ verliert an Gültigkeit. Natürlich werden der Fluss von Informationen sowie realer Güter weiterhin im Mittelpunkt der Logistik stehen. Doch die folgenden Triebkräfte sorgen für eine rasche Transformation zur „Logistik 4.0“:

  • Neue ökonomische Spielregeln durch die Globalisierung, vor allem durch neue Märkte sowie Geschäftsmodelle.
  • Neue technologische Chancen, die etwa durch immer günstigere Sensoren, Cyber-Physische Systeme, Augmented Reality oder Smart Products entstehen.
  • Ein deutlich geändertes Kundenverhalten, geprägt von der Digitalisierung aller Lebensbereiche sowie von dem Wunsch nach individualisierten, kurzfristig verfügbaren Produkten.

Gleichzeitig beeinflussen ökologische, demografische und regulatorische Randbedingungen die Entwicklung dieser Veränderungstreiber. Logistik-Entscheider sollten diesen Wandel aktiv gestalten. Welche Kenntnisse und Fähigkeiten dazu notwendig sind, lässt sich anhand von drei Megatrends für die Logistik 4.0 veranschaulichen:

 

  1. Immer „on“ – das neue digitale Konsumverhalten

Eine neue Generation von Digital Natives und Smarter (Grey) Usern agiert zum Teil kontinuierlich im Internet, zuweilen sogar gleichzeitig auf mehreren Kanälen. Diese Generation empfindet den permanenten Umgang mit Smart Devices als selbstverständlich. Vor allem die damit verbundenen Möglichkeiten der kontinuierlichen Lokalisierung, der kurzfristigen Bedarfsgenerierung und der Zieladressenänderung während des Sendungsverlaufs werden zunehmend in Anspruch genommen.

Damit geht ein Bedürfnis nach immer mehr Produkt- und Service-Individualisierung einher, während zugleich der Besitz von Dingen an sich an Bedeutung verliert.

Stattdessen gewinnen Shareconomy-Modelle an Bedeutung, bei denen der Kunde Konsumgüter oder Leistungen nur nutzt und bezahlt, wenn er sie benötigt. Diese Ideen der Shareconomy haben sich bereits auf die Logistik übertragen. In Schweden gibt es mit My Ways von DHL eine App, die es Berufstätigen erlaubt, abends auf dem Rückweg vom Stadtzentrum in die Vorstadt ein Päckchen für Nachbarn mitzunehmen. Oder der Service von Mitpackgelegenheit.de, das einen „social transport“ ermöglicht, bei dem jeder User zum Transporteur von Waren werden kann. Der Auftraggeber bekommt einen günstigen Transport, der Transporteur kann seine Fahrtkosten reduzieren.

 

  1. Logistische Superlative keine Ausnahme, sondern Norm

Dieses Konsumverhalten hat bereits neue oder veränderte Dienstleister hervorgebracht: DHL meisterte die Wende vom Staatsbetrieb zum wettbewerbsfähigen Technologieführer, Amazon rückt(e) den Kunden in den Mittelpunkt aller Überlegungen und schuf auf dieser Basis einen neuen Logistikstandard. Und Zalando beweist sich nicht nur als pfiffiger Schuhprovider, sondern auch als Weltmeister der Reversed Logistics. Was allen drei Beispielen gemeinsam ist: sie haben alte Geschäftsmodelle (wie traditionelle Versandhäuser) als Platzhirsche verdrängt. Das, was man vor ein paar Jahren noch als „logistischen Superlativ“ bezeichnet hätte, ist offenbar mittlerweile zur logistischen Normalität geworden. In der Normalität der Logistik 4.0 werden Logistiklieferungen und Logistikservices also:

  • immer kurzfristiger eingesteuert, was zu einer steigenden Volatilität der Bedarfe führt;
  • immer rascher und schneller geliefert – nach ersten Tests für Zwei-Stunden-Lieferungen rückt bereits die halbstündige Lieferung mit der Drohne als nächstes Ziel in den Bereich des Machbaren;
  • immer transparenter, da Echtzeit-Tracking und Tracing Standard ist;
  • immer günstiger, bequemer, spontaner und fehlerfreier – wodurch allerdings auch Fehlertoleranz und Loyalität der Kunden stetig abnehmen.

Vor allem zeichnen sich die heutigen „Pioniere der Logistik 4.0“, also führende Logistik-Unternehmen und Logistik-Dienstleister, durch eine neue Kunden- und Wertorientierung in ihrer Lieferkette aus. Sie rücken nicht nur den Kunden und die für den Kunden geschaffene Wertschöpfung in den Mittelpunkt aller Betrachtungen; sie ersetzen drüber hinaus die funktionalen Silos aus Vertrieb, Entwicklung und Operations durch ein end-to-end-integriertes Management von Bedarf, Nachschub und Produktion. Diese Vorreiter haben vor allem ein neues Verständnis von Logistik entwickelt, das auf einer bimodalen Lieferketten-Strategie beruht: Bislang konzentrierte sich die Logistik darauf, den Service zu verbessern und die Kosten zu senken. Doch die neuen Top-Performer sind nicht nur für ihre operative Exzellenz bekannt, sondern auch für ihre Exzellenz bei Innovationen. Damit schaffen sie es u. a.  innerhalb kürzester Zeit neue Lieferanten aufzubauen, mit diesen zu neuen Innovationen gelangen (Co-Innovation) oder gemeinsam mit dem Entwicklungsbereich neue Produktgenerationen zu entwerfen und auch top-lieferfähig zu machen. In Summe also eine bimodale Lieferkettenstrategie mit Integration der Unternehmens-Top- und Bottom-Line.

 

  1. Neue Logistik-Geschäftsmodelle dank kollaborativer Lieferketten

Etablierte Logistik-Dienstleister oder produzierende Unternehmen werden in der Logistik 4.0 Läger, Distributionszentren, City-Hubs, Transporte aber auch die Reversed-Logistics-Chains kollaborativ nutzen. Dabei entstehen nicht nur lokal, sondern auch global logistische Supernetzwerke, um schnellere und effizientere Lieferungen zu ermöglichen. Immer mehr spezialisierte und dedizierte Logistikdienstleister und Start-ups werden in diese Supernetzwerke integriert. Zudem entstehen dank IoT und Cloud-Computing nicht-materielle, also webbasierte Logistics-as-a-Service, Logistics on demand und Logistics Marketplaces.

Mit den folgenden Trendentwicklungen sollten sich Unternehmen auseinandersetzen, wenn sie von den Vorteilen dieser Netzwerke profitieren möchten:

On-demand delivery – also die Zustellung exakt bei Kundenbedarf, unabhängig von Dienstzeiten der etablierten Logistik-Unternehmen und von der Kurzfristigkeit des Bedarfs. Damit werden neue Wettbewerbsmodelle für die erste und letzte Meile geschaffen. Beispiele sind My Ways, MyTaxi oder UberRush.

Multi-Kanal-Modelle als neue Voraussetzungen für ein effizientes Logistikmanagement. Immer mehr Unternehmen bedienen gleichzeitig mehrere Vertriebskanäle. Die „Logistik 4.0“ muss dabei also alle Kanäle nach deren spezifischen Anforderungen bedienen und soll dabei gleichzeitig effizient sein. Dies funktioniert nur mit Hilfe von neu entwickelten Standard-Prozessen, die modulartig je nach Bedarf und Vertriebskanal zum Einsatz kommen.

E-Commerce und B2C-Marktauftritte sind auf dem Vormarsch. Damit wachsen die Logistik-Volumina, die Aufträge selber werden aber kleinteiliger und insgesamt muss die Logistik 4.0 mehr Rückläufer und Beschädigungen in der Lieferkette abwickeln können. Gleichzeitig ermöglicht aber e-Commerce / B2C auch kleinen Unternehmen / Händlern einen weltweiten Kundenzugang. Gemeinsam mit den genannten Supernetzwerken ergibt das einen direkten Kundenzugang ohne traditionelle Gatekeeper (Landes-Importeur, Großhändler), aber dafür eventuell durch neue Gatekeeper (Logistik-Dienstleister, Logistik-Plattformen).

Low cost-sensors,  IoT sowie das Cloud-Computing erhöhen die zugängliche Datenmenge für alle Logistik-Unternehmen drastisch. Damit lassen sich in Echtzeit einzelne Gegenstände lokalisieren oder das tatsächliche Kundenverhalten digital abbilden. Wenn auf immer umfassenderen Datenmengen mit immer umfassenderen und selbstlernenden Advanced Analytics der Weg von Big Data zu Smart Data gefunden ist, dann wird es in der Logistik 4.0 gelingen, Endkundenbedarf präzise vorherzusagen noch bevor diese beim Endkunden selber entstanden sind.

Erfolgsfaktor Qualifizierung
Die beschriebenen Entwicklungen lassen sich allerdings nur realisieren, wenn die Logistik-Mitarbeiter – vom Disponenten bis zur Führungskraft – über die notwendigen Logistik 4.0-/IoT-Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen. Dazu gilt es insbesondere, Wachstumschancen sowie das Potenzial neuer Technologien zu erkennen und zu bewerten, um passende Logistik-Strategien zu realisieren. Dabei sollten Unternehmen Kooperationen entlang von Lieferketten pragmatisch umsetzen, die interne Zusammenarbeit von Entwicklung, Vertrieb, Marketing, HR und IT verbessern und Führungsfähigkeiten unter Beweis stellen.

Natürlich ist es nicht einfach Mitarbeiter zu finden, die all diese Fähigkeiten besitzen. Deshalb wird sich der Wettbewerb zwischen den Unternehmen und den Logistikbereichen um die Mitarbeiter und Logistik-Talente sicherlich verschärfen. In Summe kommt es aber auch hier darauf an, Technologien, Kollaborationsnetzwerke und das bereits im Unternehmen vorhandene Wissen so geschickt zusammenzuführen, das daraus diejenigen Mehrwerte entstehen, die Logistik 4.0 ermöglichen.

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