Aussenhandel in stürmischer See

SCHIFFAHRT Volatile Raten, hohe Zuschläge, unpünktliche Liniendienste, ad-hoc gestrichene Abfahrten und Probleme im Hafenvor- oder –nachlauf sorgen für Unruhe im Seefrachtmarkt. In der Logistik sind vermehrt Agilität, Flexibilität und Krisenmanagement nötig.

Nach Jahren niedriger Seefrachtraten hat sich 2017 das Blatt gewendet. Bis September schien es, als hätten die Containerlinien endlich ihre Überkapazitäten in den Griff bekommen. Die Raten waren resp. sind so hoch wie seit Jahren nicht mehr, insbesondere im Reefer-Segment. Dazu beigetragen haben Konkurse, Fusionen, die Neustrukturierung der Allianzen und die Verringerung des Kapazitätsangebots.

Vor allem die Zusammenschlüsse von Hapag-Lloyd und UASC, Maersk und Hamburg Süd, COSCO Shipping und OOCL sowie der Containerabteilungen der japanischen Reedereien NYK, MOL und „K“-Line zu Japan-Alliance One haben in den letzten 12 Monaten zu Kapazitätsbereinigungen geführt. Ein Ende der Fusionswelle ist noch nicht in Sicht. So gibt es beispielsweise Spekulationen über eine Übernahme von Hapag-Lloyd durch Maersk in zwei Jahren. Die Verschuldung in der Schifffahrtsindustrie ist weiterhin hoch und der ROIC (Return on Invested Capital) niedrig.

Zunehmende Marktkonzentration
Der Konkurs der siebtgrössten Reederei der Welt, Hanjin Shipping, im Herbst letzten Jahres war die bislang grösste Firmenpleite in der Geschichte des Seetransportwesens. Rund 500’000 Container waren betroffen. Aber auch andere Reedereien und Schiffsfonds sind durch die langjährige Ratenbaisse in Not geraten und mussten letztendlich die Segel streichen. Dies hat zu einer Verknappung des Kapazitätsangebots und grosser Verunsicherung im Handel geführt.

Die Reduzierung der Reedereiallianzen auf drei per 1. April d.J. und die Neustrukturierung der Routen und Fahrpläne brachte erst einmal Chaos. Es kam zu Engpässen an den Seeterminals und im Hafenvor- und -nachlauf. Die längeren Liegezeiten der Grossschiffe, die jetzt Monat für Monat in Fahrt kommen, und schlechtes Wetter im Frühjahr brachten die Fahrtzeiten durcheinander. In der Folge häuften sich verspätete Abfahrten oder ad-hoc Streichungen. Mit Beginn der Hurricane- und Taifun-Saison kommt es seit einigen Wochen wieder vermehrt zu Störungen.

Für Verlader und Spediteure waren/sind dies alles keine guten Nachrichten. Sie haben jetzt weniger Auswahl bei ihren Buchungen und weniger Preiswettbewerb. So gibt es beispielsweise jetzt nur noch sieben „Global Player“ im Asien-Europa Verkehr.

Die Ratenbildung ist offiziell nicht Bestandteil der Allianzen. Die Schifffahrtsgesellschaften dürfen nur operativ zusammenarbeiten. Jede Reederei vermarktet ihre Stellplätze selbst. Doch die starke Konzentration auf der Reederseite hat die Verhandlungspartner im stark fragmentierten Speditions- und Verladermarkt unter Druck gesetzt. Gleichzeitig treibt sie die Konsolidierung auf Seiten der (Seefracht-)Spediteure voran. Verladerverbände wie der European Shippers Council verfolgen die Entwicklung mit grossem Misstrauen.

Ärger über Zuschläge
Neben den hohen Frachtraten ärgern sich Spediteure wie Verlader zudem über Reedereizuschläge wie die No-Show- oder Booking-Cancellation-Fees. Diese wurden in den letzten Monaten für nicht angelieferte Container eingeführt, nachdem sich aufgrund von Kapazitätsengpässe im Asien- sowie Nah- und Mittelostverkehr so genannte „Dummy“-Buchungen gehäuft hatten. Einige Speditionen versuchten durch Pauschalbuchungen, Laderaum für ihre Kunden zu sichern. Allerdings wurden die Reservierungen dann häufig in letzter Minute annulliert und die Stellplätze blieben leer.

Spätestens zum Jahresende in den Wochen vor dem chinesischen Neujahrsfest werden sicherlich auch wieder „Peak-Season Surcharges“ erhoben. Gerade KMU mit geringen Volumina und ohne langfristige Absprachen leiden unter dieser Situation. Alle diese Zuschläge sind nicht neu. Es hat sie immer dann gegeben, wenn Stellplätze auf einer Route knapp waren.

Engpässe im Hafenvorlauf
In den letzten Wochen und Monaten haben sich auch die Engpässe in der Binnenschifffahrt und im Bahnverkehr in Europa preistreibend auf die Gesamttransportkosten ausgewirkt. Die Streckensperrung auf der wichtigsten Nord-Süd-Trasse (Rastatt) hat nicht nur Chaos im Bahn- und Kombiverkehr verursacht. Die höhere Auslastung der Binnenschiff- und Lkw-Verbindungen zwischen Basel Antwerpen/Rotterdam hat die Preise kräftig in die Höhe getrieben. Hinzu kommen Abfertigungsprobleme im Hafen Rotterdam, die zu Verzögerungen bei Anlieferungen und zu verpassten Seeschiffabfahrten sowie verspäteten Anlieferungen in Basel geführt haben.

Fahrplan- und Routenänderungen
Angesichts fallender Volumina zum Jahresende haben die Reedereien im Asien-Europa-Verkehr für Oktober und November erneut Streichungen von Abfahrten bekannt gegeben. Hinzu kamen und kommen immer wieder ad-hoc Stornierungen. Die Fahrplantreue der Containerreedereien lässt zu wünschen übrig. Dies wirkt sich negativ auf Laufzeiten aus und kann zu Unterbrüchen und Verzögerungen in den Lieferketten von Industrie- und Handelsunternehmen sowie Produktionsstörungen, Produktivitätsverlusten, Kundenunzufriedenheit und Mehrkosten führen. Besonders betroffen sind Firmen mit temperatur- und zeitsensitiven Waren. Industrie- und Handelsfirmen mit engen Bestellterminen oder Lieferzeiten sollten die Entwicklungen im Schifffahrtsmarkt kontinuierlich im Auge behalten.

Volatile Raten
Doch steht eine Wende bevor? Seit Herbstbeginn sind die Raten im für die Schweiz wichtigen Asien-Europa-Verkehr unter Druck und fallen Woche um Woche. Sie liegen aber immer noch über dem Vorjahresniveau.

Seit Jahresbeginn wurden zahlreiche Megaschiffe in Fahrt gebracht und weitere kommen in den nächsten beiden Jahren zur Auslieferung. Allein 2018 werden neue Schiffe mit über 500’000 TEU an die Ocean Alliance, mit circa 250’000 TEU an 2M und mit rund 175’000 TEU an THE Alliance Partner ausgeliefert.

Hier droht den Reedern neues Ungemach. Die Flotte der über 14’000 TEU Schiffe wächst laut der Beratungsfirma Drewry derzeit zweistellig, kann aber nur im Asien–Europa-Verkehr wirtschaftlich eingesetzt werden. Die Megaschiffe drängen die Klasse der 10’000 – 14’000 TEU Schiffe in andere Fahrtgebiete, wie z.B. Transpazifik, Asien-Mittlerer Osten, Asien-Mittelmeer. Diese bieten aber nicht genügend Ladung. Darüber hinaus liegen immer noch Schiffe mangels Beschäftigung auf Reede. Ausserdem hat die Konkurrenz durch interkontinentale Bahnverkehre oder Air-Sea-Angebote zugenommen. Die steigenden Seefrachtraten und Kapazitätsengpässe haben diese Alternativen attraktiver gemacht.

Zwar wachsen die Transportvolumina derzeit schneller als die Weltwirtschaft, doch dies liegt daran, dass mehr Rohstoffe und Halbwaren und weniger Fertigwaren transportiert werden. Steigende Löhne in China und politischer Druck führen zu Produktionsverlagerungen in noch günstigere Produktionsländer oder zurück nach USA oder Europa. Dies verändert die Warenströmen und die Warenstruktur auf den Weltmeeren und setzt die Frachtraten zusätzlich unter Druck.

 

Ausblick
Die Konsolidierung in der Schifffahrtsindustrie, die Straffung des Kapazitätsangebots und die prosperierende Weltwirtschaft haben die Preissetzungsmacht der Containerreeder gestärkt. Gab es früher 20 globale Reedereien, sind es heute noch 11. Doch die Gefahr von Überkapazitäten besteht weiter und steigt mit jedem neuen Megaschiff auf den Weltmeeren. Angesichts der unsicheren Situation im Seetransportmarkt steigt die Wertschätzung beratungsstarker Speditionen. Längerfristige Absprachen haben wieder Konjunktur.  2018 werden die Seefrachtraten und Transportzeiten volatil und damit schwer planbar bleiben. Prognosen über die zukünftige Entwicklung des Seefrachtmarkts sind eher Wahrsagerei als Wissenschaft.

 

Zur Person/Die Autorin
Gabriela Tövishati ist Head of Business Development
bei a. hartrodt (Schweiz) AG, Basel. Die internationale Fachspedition verfügt über jahrzehntelange Erfahrung und das notwendige Know-how für den reibungslosen und schnellen Transport von Waren aller Art – von Lebensmitteln und Spirituosen über allgemeine Handelswaren bis zu Schwergut – per Seefracht und Luftfracht.
www.hartrodt.com

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